Was wird gewählt?
Am 9. Juni 2024 ist es soweit – Alle fünf Jahre finden die Europawahlen statt. Eine Wahl, an der große Teile Europas, einschließlich Deutschlands, teilnehmen. In diesen werden die Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt. Diese vertreten die Interessen ihrer Länder vor anderen europäischen Staaten wie Frankreich, Dänemark oder Portugal, auch wenn nicht jedes Land Mitglied der Europäischen Union ist (z.B. Norwegen oder die Schweiz) und man auch wieder austreten kann (Großbritanniens „Brexit“ 2021). Von 720 Abgeordneten werden insgesamt 96 von Deutschland gestellt – so viele wie von sonst keinem anderen Land.
Was ist das Europaparlament und was bewirkt es?
Das Europäische Parlament ist eine Institution, in der die Staatsbürger*innen aus 27 Mitgliedsländern sich beraten und neue Regelungen und Gesetze beschließen. Das stärkt den gemeinsamen Handel und das Miteinander. So können sich die einzelnen Staaten gegenseitig beistehen, wenn sie beispielsweise wirtschaftliche, medizinische oder sonstige Probleme haben. Auch kann mensch als Gemeinschaft Bedrohungen wie dem Klimawandel oder Diktaturen wie Russland mit einheitlichen Maßnahmen und gegenseitiger Rücksichtnahme besser entgegenwirken. Außerdem wird die Wirtschaft durch gemeinsames Handeln weiter gestärkt. So profitiert insbesondere Deutschland von der europäischen Marktwirtschaft. Andere Länder wie Großbritannien dagegen haben seit ihrem EU-Austritt erhebliche wirtschaftliche Probleme. Aber auch abseits der Ökonomie bewirkt die EU einiges. So sichert sie in beinahe ganz Europa die Einhaltung der Menschenrechte. Auch die Freiheiten von Frauen und Minderheiten werden durch die EU mehr in Schutz genommen.
Wie wird gewählt?
In jedem EU-Mitgliedsstaat wird an unterschiedlichen Tagen gewählt. Bei uns ist es der Arbeitszeiten wegen ein Sonntag. Je nach Wohnort wird in den jeweiligen Gemeinden gewählt, beispielsweise in Anlaufstellen wie Schulen oder Gemeindehäusern. Die dortige Wahl geschieht geheim, das heißt, die Wähler*innen werfen die Zettel anonym in Wahlurnen. Auf diesen Wahlzetteln sind die Namen aller Parteien samt Abgeordneten aufgelistet. Von diesen kann maximal eine Partei ausgewählt werden, sonst wird der Zettel ungültig.
Welche Parteien sind zugelassen?
Neben den aus dem Bundestag bekannten Parteien wie SPD, Grüne und Linke sind auch kleinere Parteien und andere Gruppen zugelassen. So zum Beispiel die PARTEI oder auch Volt. Diese haben in der Regel eine deutlich kleinere Wählerschaft, weshalb sie oft an der sogenannten 5%-Hürde scheitern und nicht in den Deutschen Bundestag einziehen. Bei der Europawahl gibt es solche Regelungen nicht; auch kleinere Parteien haben somit eine Chance, auf Europaebene etwas bewirken zu können.
Was sind Abgeordnete?
Jede Partei oder sonstige Vereinigung, die es durch Unterschriften auf den Wahlzettel geschafft hat, darf sogenannte Abgeordnete auswählen. Diese werden auf dem Wahlzettel unter den einzelnen Parteien aufgelistet. Je nachdem, wie viele Stimmen eine Partei erlangt, erhält sie eine bestimmte Anzahl an Plätzen im Europaparlament, vom obersten Listenplatz, auch Spitzenkandidat genannten, angefangen.
Welche Abgeordneten gibt es?
Jede größere Partei stellt meist mehrere Kandidat*innen auf, manche sogar über dreißig. Daher macht es Sinn, zumindest im Ansatz die Spitzenkandidat*innen zu kennen, die man wählt. Deshalb sind im Anhang die größten Parteien mit ihren wichtigsten Kandidat*innen aufgelistet.
Warum ist wählen gehen wichtig?
Zur Wahl zu gehen, ist ein Privileg, welches wir uns über Jahrhunderte erbittert erkämpfen mussten. Wählen ist der Inbegriff der Freiheit, die wir in einer Demokratie haben, nämlich, dass jeder einzelne als Teil einer Gemeinschaft mitbestimmt und Gleichberechtigung bewahrt wird. Zu viele Länder haben in der Vergangenheit bitter darunter leiden müssen, ohne Mitspracherecht von Obrigkeiten regiert zu werden, auch heute noch gibt es solche Länder. Daher ist es gerade für uns unabdinglich, unsere Stimme zählen zu lassen, um extremen Kräften keine Stimme zu geben, die auch heute versuchen, unsere EU mit all ihren hart erarbeiteten Privilegien abzuschaffen. Denn nichts weiter als ein Privileg ist das Wählen. Wenn man es nicht tut, wird man bald vielleicht schon nicht mehr zur Wahl gehen können.
Parteien im Gespräch – Interviews Dürener Kreisverbände
Nachdem wir uns im ersten Abschnitt mit der EU und den anstehenden Europawahlen auseinandergesetzt haben, wird in diesem Beitrag auf einzelne Parteien eingegangen, die zur Wahl stehen. Die folgenden Wahlstände haben wir in der Innenstadt angetroffen und die Interviews ausgewertet.
Die SPD:
Die deutschen Sozialdemokraten hatten einen Stand nahe des Wochenmarkts. Bei ihnen haben wir angefragt, wie man zu Aussagen von Scholz stehe, man müsse afghanische Schwerstkriminelle abschieben und daher mit den Taliban verhandeln, weil man somit die dortige Bevölkerung gefährden würde. Der Herr von der SPD erklärte uns, dass die Partei nicht hinter allem stehen würde, was die Parteispitze behauptet und distanzierte sich davon. Er erklärte, die SPD stehe für Arbeiter*innenrechte und weniger Sozialabbau, sprich für den Erhalt von Arbeitsplätzen und gerechte Renten.
Die Partei:
Die erste Partei, die wir am Samstag Mittag in Düren angetroffen haben, war die Satirepartei „Die Partei“. Sie hat uns mit Döner- und Bierpreisbremse geworben. Auf Anfrage gab es neben Witz und Polemik allerdings auch ernsthafte Ansätze: Seenotrettung soll eine höhere Priorität haben, auch will sie sich bei Wiederwahl weiterhin gegen Korruption (Selbstbereicherung von Politikern) in der EU einsetzen. Insgesamt weit über 200 Kandidat*innen stellt die Partei auf, weit mehr, als es überhaupt Sitze für Deutschland gibt.
Die AfD:
Die Alternative für Deutschland war die zweite Partei, die wir an ihrem Stand interviewt haben. Dort kam es zu einigen absurden Diskussionen, im Verlauf welcher die Dame von der AfD geäußert hätte, nur Islamisten würden sich auf den Islam beziehen, nicht aber Muslime. Des Weiteren wurden wir mit ebenso abstrusen Unwahrheiten konfrontiert, laut welchen Fakten und Tatsachen nicht dasselbe seien (Fakten wurden als Auslegungssache bezeichnet). Auch wurden uns sehr intime Fragen gestellt über den Besitz von Führerscheinen, Sexualität und die Anzahl an Migranten am Burgau. In ausgelegten Flyern konnten wir weitere Fehler erkennen wie die Aussagen, dass CDU und FDP gegen Atomkraft, Verbrenner und Abschiebungen Geflüchteter wären und knapp die Hälfte der Grundschüler zu Hause kein Deutsch spräche. Zudem wurden Auszüge aus den Thesen des Wahlomats geleugnet, so der Wunsch der AfD nach einer nationalen Währung statt des Euros. Nachdem wir angefragt haben, wie man zu kontroversen Äußerungen der AfD-Spitzenkandidaten steht, in welchen die SS in Schutz genommen und Feminismus mit Krebs gleichgesetzt wird, haben die AfD-Angehörigen behauptet, sie würden ja für diese Leute keinen Wahlkampf machen, obwohl genau das der Fall war. Von Korruptionsaffären mit russischen und chinesischen Geldern will man auf Kommunalebene nichts zu tun haben. Ohne wertend zu sein muss man sagen, dass wir selbst bei der Satire-Partei „Die Partei“ auf weniger Absurdität gestoßen sind.
Die CDU:
Die Unionspartei fragten wir, wie sie zur Migrationspolitik steht. So will die CDU mehr Abschiebungen durchsetzen und weniger Geflüchtete aufnehmen. Menschen ohne Bleiberecht, allen voran Straftäter, sollen unmittelbar in Drittstaaten ausgewiesen werden. Nachdem wir einen Stadtrat der CDU auf internationale Souveränität angesprochen haben, laut welcher die Verlagerung von Problemen wie der Migration zugeordneten Kriminalität unvereinbar mit den Grundwerten Deutschlands und der Union wäre, meinte dieser, er könne ja nichts an den Gesetzen ändern. Dabei ist er in der bundesweit stärksten Partei, die zusätzlich keine Gelegenheit auslässt, für strengere Migrationspolitik zu werben. Zugutehalten muss man allerdings, dass der Stadtrat der CDU sich zum Beginn des Pride Month mit queeren Minderheiten solidarisiert hat, eine im rechts-konservativen Spektrum nicht unumstrittene Haltung. Queerfeindliche Ansichten in der CDU und auch homophobe Aussagen Friedrich Merz‘ allerdings verurteilt man in Düren offenbar nicht. Wir fragten ferner nach, warum die Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen, welche erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden möchte, mit rechtsextremen Parteien aus ganz Europa wie Italiens Ministerpräsidentin Meloni koalieren möchte. Diese betreibt intensivste Hetze gegen Niedriglohnempfänger und trans-Menschen, die sie entrechten möchte. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel der CDU erklärte, dass das nötig sei, um eine Mehrheit zu bekommen. Dass es auch genug demokratische Koalitionspartner*innen gäbe, blendete er dabei aus. Dafür gab es leckeres Popcorn und schwarzen Kaffee!
Die Linke:
Die Linke ist eine Partei, welche sich gegen soziale Ungleichheiten einsetzt. Bei ihr haben wir angefragt, wie sie zum Krieg in der Ukraine steht. Nach dem russischen Überfall im Februar 2022 war die Linke sehr zerstritten, ob man die Ukraine gegen Putins Regime unterstützen sollte. Nachdem im letzten Jahr aber einige russlandfreundliche Mitglieder ausgetreten sind und das BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht) gegründet haben, gibt sich die Linke wieder gemäßigter, und die Parteimitglieder am Wahlstand haben erklärt, sie solidarisierten sich mit der Ukraine. Außerdem wollen sie gegen Korruption und Bestechung vorgehen sowie gegen Großkapitalisten. Durch Besteuerungen und Enteignungen von Milliardären beabsichtigen die Linken, den Mittelstand zu entlasten und die Gelder im sozialen Sektor zu verwenden. Auf Nachfrage haben sie insbesondere an unserem sogenannten dreigliedrigen Schulsystem (Gymnasium, Realschule und Hauptschule) Kritik geäußert, welches Schüler*innen mehr nach sozialem Stand als nach tatsächlicher Leistung einteilen würde.
Das Bündnis 90/Die Grünen:
Die Grünen waren an den letzten Wochenenden sehr präsent. Daher haben wir sie ausführlich interviewt. Sie stehen für bedingungslosen Umwelt- und Klimaschutz, vor allem auf Europaebene. Jedes Land soll laut den Freiwilligen am Wahlkampfstand seinen Teil zur Klimagerechtigkeit beitragen und bei Bedarf darin unterstützt werden. Dazu zählen auch, am Atomausstieg festzuhalten und Kompromisse zu finden, um mehr Einigkeit in Europa zu schaffen. Nachdem wir die Grünen angefragt haben, haben sie allerdings auch zugegeben, nicht hinter allem auf Bundesebene zu stehen wie Haltungen zu Baerbocks Kampfjet-Lieferungen an Saudiarabien oder dem passiven Verhalten der Grünen bei Menschenrechtsverletzungen an Migrant*innen.
Die Freien Wähler:
Die Partei der Freien Wähler ist eine außerhalb Bayerns kleine, konservativ bis rechte Gruppierung. Sie legt, wie sie uns versichert hat, Wert auf Tradition und Patriotismus. Migration insbesondere aus Nahost allerdings steht sie kritisch gegenüber und setzt diese immer wieder mit hoher Kriminalität gleich. Dass diese Aussagen faktisch falsch seien, wurde auch am Samstag bestritten. Hingegen lege man Wert auf finanziellen Wohlstand. Hierfür sollen allerdings das Renteneintrittsalter angehoben und der Niedrigslohnsektor, sprich Menschen mit nur geringem bis keinem Einkommen, nicht gefördert werden. Steuern auf reiche Menschen sollen hingegen nicht angehoben werden.
Die FDP:
Die FDP mit ihrer Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die kleinste Partei der Bundesregierung. Sie hatte keinen Stand in Düren, sodass wir sie auch nicht interviewen konnten. Allerdings wirbt sie auf ihren Wahlplakaten in der Umgebung mit liberalen Grundsätzen wie Wohlstand und Freiheit. Diese bedeuten für die FDP auf Bundesebene auch, Bedürftige aus dem Niedriglohnsektor und sozial niedrigeren Schichten weniger finanziell zu unterstützen, während sie gleichzeitig die weniger Steuern für wohlhabende Menschen und Konzerne niedrig belassen wollen. Obwohl Deutschland ein verhältnismäßig wenig verschuldetes Land ist, sollen Gelder für Einrichtungen und Infrastruktur gekürzt werden. Diese neoliberalen Positionen möchte die FDP auch auf Europaebene vertreten. Kritik, die wir am Samstag leider nicht äußern konnten.
Die Letzte Generation:
Überraschend war, die Letzte Generation in der Stadt anzutreffen. Die Klima-Protestbewegung hat kurz vor der Europawahl eine eigene Partei gegründet, um auch auf Europaebene für mehr Klimaschutz einzutreten. Allerdings soll die Partei keine Ein-Themen-Partei sein, hingegen hat man uns erklärt, dass man auch soziale Ungerechtigkeiten in der EU bekämpfen möchte und den Klimawandel als komplexes Konstrukt ansieht, der auf verschiedenste Weisen bekämpft werden muss. Eine weitere Frage von uns war die Protestform der Letzten Generation, nämlich umstrittene Straßenblockaden. Eine Rechtfertigung der Letzten Generation war, dass es weniger um die Aktionen ginge als vielmehr um den Sinn hinter diesen, nämlich die Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu lenken. Das sei im Europawahlkamof allerdings nebensächlich und die Protestaktionen auf Straßen wurden schon vor Monaten eingestellt.
Volt:
Die letzte Partei, die wir angetroffen haben, war Volt. Sie ist eine paneuropäische Partei, was bedeutet, dass es sie in 24 EU-Ländern gibt. Die Politiker der neuen Kleinpartei wollen nach ihrem Einzug ins EU-Parlament mehr Chancengleichheit schaffen und Gelder gerechter verteilen. Umweltschutz hat für Volt eine hohe Priorität und engere europäische Zusammenarbeit soll Geflüchteten mehr Chancen zur Integration in der EU bieten. Dennoch waren die wenigen Volt-Parteihelfer*innen nicht sehr kompetent und konnten unsere Fragen nicht vollständig beantworten, was sich allerdings dadurch erklären lässt, dass es sich um eine Kleinpartei mit nur wenig geeignetem Personal handelt.
Der Wahlomat:
Wer sich weiter informieren will, kann auch den Wahlomat austesten. Dieser stammt vom Bundesamt für politische Bildung und zeigt anhand eines Fragebogens auf, welche Parteien am ehesten den eigenen Interessen entsprechen. Die Palette an Infomaterial zur Europawahl ist lang. Wer unserer Demokratie zuliebe plant, am Sonntag wählen zu gehen, kann sich bis dahin ausgiebig erkundigen und eine Partei wählen, die den eigenen Interessen an Europa am ehesten zusagt.
Gegen Ende haben sich v.l.n.r. Grüne, SPD und CDU (inklusive Die Partei-Abgeordneten) demonstrativ zusammengeschlossen, um ein Zeichen gegen den Stand der AfD zu setzen.
Die Reste des abgebauten AfD-Stands
Paul, EF